BGH: Werbeblocker bleiben erlaubt

Mit Werbung anderer Unternehmen auf den eigenen Internetseiten kann man viel Geld verdienen. Werbeblocker, die Werbung z.B. bei Ansicht einer Internetseite blockieren oder ausblenden, bedeuten daher für die werbenden Unternehmen Einnahmeverluste – gleichzeitig entspannen sie aber das Surferlebnis für den Nutzer der werbefinanzierten Website. Die Klage des Axel Springer Verlages (Axel Springer SE) gegen eines dieser Werbeblockerprogramme landete nun vor dem Bundesgerichtshof (BGH) – der Verlag wollte damit einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht geltend machen. Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des BGH hat mit Urteil vom 19. April 2018 (Az. I ZR 154/16 (zu dieser Entscheidung liegt der Volltext noch nicht vor.)) jetzt entschieden, dass das Angebot des Werbeblockerprogramms nicht gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstößt und damit nicht wettbewerbswidrig ist.

Hintergrund

In dem Rechtsstreit ging es um die Zulässigkeit des Internet-Werbeblockers „Adblock Plus“ des Kölner Unternehmens eyeo (eyeo GmbH). Dieser Blocker verhindert, dass bestimmte Werbeinhalte auf Internetseiten angezeigt werden, indem sie mit Hilfe von Filterregeln Serverpfade und Dateimerkmale von Werbeanbietern identifiziert und dann automatisch blockiert („Blacklist“). Ausnahmen von den Filtern kann man unter bestimmten Voraussetzungen einrichten und diese in eine sog. „Whitelist“ aufnehmen. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Werbung die von dem unabhängigen Acceptable Ads Committee gestellten Anforderungen an eine „akzeptable Werbung“ erfüllt und die Unternehmen der eyeo GmbH vom Mehrumsatz durch die erzielte akzeptable Werbung einen anteiligen Betrag zahlen. Bei Unternehmen die weniger als 10 Millionen zusätzliche Werbeeinblendungen pro Monat durch die akzeptable Werbung verdienen verlangt die eyeo GmbH für die Ausnahme von der automatischen Blockade nach eigenen Angaben keine Umsatzbeteiligung. Internetnutzer können die Software kostenfrei herunterladen. Die Klägerin stellt ihre redaktionellen Inhalte auch auf ihren Internetseiten zur Verfügung. Dieses Angebot finanziert sie mit dem Entgelt, das sie von anderen Unternehmen für die Schaltung von Werbung auf diesen Internetseiten erhält.

Der Axel Springer Verlag hält den Vertrieb des Werbeblockers durch die eyeo GmbH für wettbewerbswidrig. Der Verlag hat deswegen auf Unterlassung geklagt: die eyeo GmbH solle es zukünftig unterlassen, ein Programm anzubieten, das Werbeinhalte unterdrückt. Hilfsweise hat er das Verbot beantragt, ein solches Computerprogramm anzubieten, wenn und soweit Werbung nur nach von der eyeo GmbH vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts des Axel Springer Verlages nicht unterdrückt wird. Darüber hinaus hat der Verlag Auskunftserteilung und die Feststellung der Schadensersatzpflicht der eyeo GmbH beantragt.

Bisheriger Prozessverlauf

Geklagt wurde zunächst vor dem Landgericht Köln und dann vor dem Oberlandesgericht Köln (als Berufungsgericht). Das Landgericht Köln hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. September 2015 – Az. 33 O 132/14). Dagegen legte der Verlag Berufung ein. Das Berufungsgericht hat die eyeo GmbH sodann nach dem Hilfsantrag zur Unterlassung verurteilt und ihre Schadensersatzpflicht festgestellt (Urteil vom 24. Juni 2016 – Az. 6 U 149/15) – ein Teilerfolg für den Verlag. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die Parteien seien Wettbewerber; der Axel Springer Verlag sei somit berechtigt, wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen die eyeo GmbH geltend zu machen. Das Angebot der eyeo GmbH erfülle zwar nicht den Tatbestand der gezielten Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG, wohl aber denjenigen der aggressiven geschäftlichen Handlung nach § 4a Abs. 1 UWG in Form der unzulässigen Beeinflussung. Die eyeo GmbH veranlasse werbewillige Unternehmen, die Blockade ihrer Werbung durch Aufnahme in die Whitelist zu umgehen und damit eine kostenpflichtige Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, die sie ohne die Blockade nicht benötigt hätten.

Das Oberlandesgericht Köln hat die am 14.07.2016 eingelegte Revision des Axel Springer Verlages zugelassen. Der Axel Springer Verlag beantragte, dass die eyeo GmbH nach dem Hauptantrag zur Unterlassung und darüber hinaus zur Auskunftserteilung verurteilt wird. Der Verlag ist der Auffassung, dass das Verhalten der eyeo GmbH als gezielte Behinderung von Mitbewerbern und allgemeine Marktbehinderung zu werten ist. Die eyeo GmbH hat mit ihrer Anschlussrevision (eingelegt am 25.07.2016) die Wiederherstellung des die Klage abweisenden erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Köln angestrebt.

Die Entscheidung

Der BGH hat nun zu der Frage Stellung genommen, ob Werbeblocker eine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG darstellen oder ob es sich hierbei gar um eine aggressive geschäftliche Handlung gemäß § 4a UWG handelt.

Erstens stellte der BGH fest, dass das Angebot des Werbeblockers keine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG darstellt. Eine Verdrängungsabsicht liegt nicht vor. Die eyeo GmbH verfolgt in erster Linie die Förderung ihres eigenen Wettbewerbs, so der Senat.

Weiterhin stellte der Senat klar, dass die eyeo GmbH mit dem Angebot des Programms nicht unmittelbar auf die von dem Verlag angebotenen Dienstleistungen einwirkt. Der Einsatz des Programms liegt vielmehr in der autonomen Entscheidung der Internetnutzer – eine mittelbare Beeinträchtigung des Angebots des Verlages ist nicht wettbewerbswidrig. Auch die Abwägung der Interessen der Betroffenen führt nicht zu dem Ergebnis, dass eine gezielte, wettbewerbswidrige Behinderung vorliegt. Dem Verlag ist es auch mit Blick auf das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Absatz 1 Satz 2, Var.1 GG) zumutbar, den vom Einsatz des Programms ausgehenden Beeinträchtigung zu begegnen, indem sie die ihr möglichen Abwehrmaßnahmen ergreift. Dazu gehört etwa das Aussperren von Nutzern, die nicht bereit sind, auf den Einsatz des Werbeblockers zu verzichten.

Eine allgemeine Marktbehinderung liegt zudem nach Auffassung des Senats auch nicht vor, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Geschäftsmodell der Bereitstellung kostenloser Inhalte im Internet zerstört wird.

Das Angebot des Werbeblockers stellt zudem auch – anders als das Berufungsgericht angenommen hat – keine aggressive geschäftliche Handlung gemäß § 4a UWG gegenüber Unternehmen dar, die an der Schaltung von Werbung auf den Internetseiten der Klägerin interessiert sind. Es fehlt an einer unzulässigen Beeinflussung dieser Marktteilnehmer, weil die eyeo GmbH eine ihr durch das technische Mittel des Werbeblockers etwaig zukommende Machtposition jedenfalls nicht in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit der Marktteilnehmer zu einer informierten Entscheidung einschränkt.

Werbeblocker sind also legal!

Der Bundesgerichtshof hat daher auf die Revision der eyeo GmbH das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage auch hinsichtlich des Hilfsantrags abgewiesen. Werbeblocker bleiben also erlaubt – zunächst. Axel Springer könnte jetzt Verfassungsbeschwerde wegen Eingriffs in das Grundrecht auf Pressefreiheit (Art. 5 Absatz 1 Satz 2, Var.1 GG) einreichen. Der Verlag sagte zur Entscheidung kürzlich: „Wir sehen im heutigen Urteil eine Verletzung der über Artikel 5 Grundgesetz geschützten Pressefreiheit, weil Werbeblocker die Integrität von Onlinemedien und deren Finanzierung gezielt zerstören“. Zudem sieht der Verlag wohl auch noch die Chance, in einem neuen Verfahren nach dem Urhebergesetz (UrhG) gegen Werbeblocker vorzugehen. Dabei wäre die Frage zu klären, ob Internetseiten in ihrer Gesamtdarstellung vom Urheberrecht geschützt sind und ein möglicher Eingriff durch einen Werbeblocker in den Programmiercode – sofern er denn erfolgte – unzulässig ist (vgl. Quelle). Es bleibt also abzuwarten, ob diese Angelegenheit wirklich vom Tisch ist.

Fragen?

Bei Fragen rund um das Thema Wettbewerb und Internetrecht hilft Ihnen unser Team gerne weiter. Hier finden Sie unsere Ansprechpartner.

Hinweis

Unsere Of Counsel Judith Nink ist Justiziarin und Datenschutzbeauftragte bei der eyeo GmbH, der Beklagten in diesem Rechtsstreit. Was aber nichts daran ändert, dass wir auch sonst das Urteil des BGH für richtig gehalten hätten.

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