Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat sich im Spannungsbereich von Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) und Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zum Thema Einwilligung und Widerruf geäußert (OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 31.07.2024 – 4 U 238/23). Eine erteilte Einwilligung in eine Video-Veröffentlichung sei grundsätzlich bindend und nur eingeschränkt widerrufbar.
1. Sachverhalt
In dem Rechtsstreit zwischen zwei Unternehmen hat die Beklagte auf YouTube Videos veröffentlicht, in denen der Kläger zu sehen ist. Der Kläger hatte zuvor eine Einwilligungserklärung unterzeichnet, in der er auf seine Persönlichkeitsrechte verzichtet und ein Widerrufsrecht ausgeschlossen hat. Später widerrief er jedoch seine Einwilligung und forderte die Löschung der Aufnahmen. Da dies nicht erfolgte, klagte er gemäß §§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, 823 Abs. 1. Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22 KunstUrhG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 7 Abs. 3 DSGVO auf Unterlassung. Das LG Koblenz wies die Klage ab, da der Kläger wirksam eingewilligt hatte und kein Widerrufsrecht bestehe. Der Kläger ging in Berufung und argumentierte, dass ein Festhalten an die Einwilligung unzumutbar sei, da er sich weiterentwickelt habe und nun zur Konkurrenz des Beklagten gehöre. Zudem machte er geltend, die Einwilligung entspreche nicht den Anforderungen der DSGVO, da eine Verbreitung wegen des Drittlandbezugs unzulässig sei und das Widerrufsrecht nach Art. 7 Abs. 3 DSGVO keiner weitergehenden Einschränkung unterliege.
2. Entscheidung
Das OLG Koblenz wies daraufhin, dass die Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg habe. Das LG Koblenz habe die Klage zu Recht abgewiesen.
2.1. Keine Unterlassungsansprüche aus nationalem Recht
Anders als das LG Koblenz, welches den nationalrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG prüfte und ablehnte, erklärte das OLG nationalrechtliche Anspruchsgrundlagen bereits für nicht anwendbar.
Die Vorschriften der DSGVO seien vom Europarecht vollständig harmonisiert und gälten daher als abschließend, sodass die DSGVO Anwendungsvorrang genieße und die nationalrechtlichen Ansprüche nicht in Betracht kämen, sofern – wie hier – DSGVO-Verstöße geltend gemacht worden seien.
2.2. Keine Unterlassungsansprüche aus der DSGVO
Nach Ansicht des OLG Koblenz scheidet ein Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 Buchst. b DSGVO aus, wobei offengelassen wird, ob der Anspruch gemäß Art. 85 Abs. 2 DSGVO von den nationalen Regelungen des KunstUrhG verdrängt wird.
2.2.1. Widerruf der Einwilligung
Nehme man an, dass die DSGVO-Vorschriften gemäß der Öffnungsklausel des Art. 85 Abs. 2 DSGVO durch die Regelungen des KunstUrhG verdrängt werden, so wäre die gemäß § 22 S. 1 KunstUrhG wirksam erteilte Einwilligung grundsätzlich bindend.
Eine Ausnahme von dieser Bindungswirkung sei nur dann anzunehmen, „wenn dem Persönlichkeitsrecht […] aus einem wichtigen Grund Vorrang gegenüber dem Prinzip der Rechtssicherheit und Vertragstreue einzuräumen ist“.
Die vorgetragene unternehmerische Weiterentwicklung sei gerade der Sinn und Zweck des Videos und zudem bei Erteilung der Einwilligung absehbar gewesen. Somit wurde nach Ansicht des OLG ein wichtiger Grund vom Kläger nicht hinreichend dargelegt.
2.2.2. Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO
Selbst bei unterstellter Anwendbarkeit des Art. 17 Abs. 1 DSGVO bestünde ein Unterlassungsanspruch nur, wenn es an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung fehle.
Das Gericht hält fest: „Die weitere Datenverarbeitung bleibt mithin zulässig, wenn diese noch aus weiteren Gründen erfolgen durfte.“
Die Datenverarbeitung konnte nach Ansicht des OLG hier auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. b DSGVO gestützt werden, weil die Veröffentlichung im Rahmen der Geschäftsbeziehung der Parteien erfolgte. Die Formulierung „Erfüllung eines Vertrages“ sei unionsrechtlich autonom und weit auszulegen und erfasse somit jedes rechtsgeschäftliche oder rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnis sowie vertragsähnliche Konstellationen.
Daher kommt es auf die Interessenabwägung, wie sie von Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO gefordert und vom LG Koblenz angenommen wurde, nicht mehr an.
3. Folgen für die Praxis
Damit ist nicht abschließend geklärt, ob Art. 85 DSGVO dem § 22 KunstUrhG den Vorrang vor der DSGVO auch in Fällen einräumt, in denen kein journalistischer oder sonstiger in Art. 85 DSGVO genannter Zweck verfolgt wird.
Daher sollten Unternehmen, die Bild- oder Videoaufnahmen verbreiten, die Verarbeitung personenbezogener Daten bis zu einer Veröffentlichung im Einklang mit der DSGVO ausgestalten und sich nach einer Veröffentlichung und Verbreitung nach dem KunstUrhG richten, wonach gemäß § 22 S. 1 KunstUrhG Einwilligungen grundsätzlich bindend sind und ein Widerruf nur aus wichtigem Grund möglich ist, der hinreichend dargelegt werden muss.
Im Rahmen der DSGVO ist ein Widerruf der Einwilligung nach Art. 7 Abs. 3 DSGVO jederzeit möglich. Eine betroffene Person kann aber nur einen Unterlassungsanspruch bzw. das Recht auf Löschen nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. b DSGVO geltend machen, wenn keine anderweitige Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung besteht. Wenn die Verarbeitung aus anderen Gründen als die der Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. a DSGVO rechtmäßig ist, zum Beispiel zur Erfüllung eines Vertrages nach Art. 6 UAbs. 1 Buchst. b DSGVO, wie in dem vorliegenden Fall, scheidet dieser Anspruch aber aus.
4. Feststellung
Aus dem Hinweisbeschluss des OLG Koblenz lassen sich somit folgende Feststellungen ableiten:
- Eine einmal erteilte Einwilligung nach § 22 S. 1 KunstUrhG ist grundsätzlich bindend. Ausnahmen sind nur bei einem wichtigen Grund anzunehmen.
- Die DSGVO sieht zwar einen Unterlassungsanspruch mit Art. 17 Abs. 1 Buchst. b DSGVO im Falle eines Widerrufs nach Art. 7 Abs. 3 DSGVO vor. Allerdings greift dieser nur, wenn die Datenverarbeitung auf keine andere Rechtsgrundlage gestützt werden kann. Andersherum gewendet: Ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig i.S.v. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 DSGVO, scheidet ein Unterlassungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. b DSGVO aus.
- Das Verhältnis von KunstUrhG und DSGVO sieht keinen Gleichlauf vor. Die DSGVO genießt zwar grundsätzlich Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht, doch bietet Art. 85 DSGVO eine Öffnungsklausel, wonach das KunstUrhG jedenfalls in Fällen mit medienrechtlichem Bezug anwendbar ist (hier jedoch offengelassen, insbesondere für Fälle ohne medienrechtlichen Bezug).