BGH: Prüfpflichten von Suchmaschinenbetreibern bei Persönlichkeitsrechtsverletzung

Den Betreiber einer Internet-Suchmaschine trifft keine generelle Prüfpflicht, ob die von seiner Software aufgefundenen Inhalte Persönlichkeitsrechtsverletzungen enthalten. Eine Reaktion des Suchmaschinenbetreibers ist erst erforderlich, wenn er durch einen konkreten Hinweis von einer offenkundigen Persönlichkeitsrechtsverletzung Kenntnis erlangt hat. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 27.2.2018 (Az. VI ZR 489/16 – noch nicht im Volltext verfügbar) entschieden.

Hintergrund des Urteils

Der BGH hatte sich mit der Klage eines Ehepaares zu beschäftigen, die die Betreiberin der Internetsuchmaschine „Google“ als Beklagte auf Unterlassung gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 GG in Anspruch genommen haben, bestimmte ihr Persönlichkeitsrecht verletzende Inhalte auf Drittseiten über die Suchmaschine auffindbar zu machen.

Die Beklagte nutzt eine Software, um das Internet fortlaufend zu durchsuchen und die dadurch ermittelten Internetseiten in einem Suchindex zu übernehmen. Nach Eingabe eines Suchbegriffes durch den Nutzer gibt die Suchmaschine eine Ergebnisliste aus und verlinkt die zu dem Suchbegriff ermittelten Internetseiten.

Die Kläger hatten bei der Erstellung eines Internetforums mitgewirkt. Die Mitglieder dieses Internetforums wurden aufgrund von Auseinandersetzungen mit Mitgliedern anderer Internetforen von diesen des Stalkings bezichtigt. Im Rahmen dieser Auseinandersetzungen gelang es Dritten, aufgrund einer auf dem unter Mithilfe der Kläger aufgesetzten Internetforums eingerichteten E-Mail-Weiterleitung an den Kläger seine Identität festzustellen. Danach wurden auf den mit der Klage eingereichten Websites Beiträge verfasst, die den Kläger als Verantwortlichen für die Handlungen der Mitglieder des Internetforums darstellten. Außerdem wurden die Kläger u.a. als „Schwerstkriminelle“, „Terroristen“ oder als „krimineller Stalkerhaushalt“ bezeichnet.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Während das erstinstanzlich zuständige Landgericht (LG) Köln mit Urteil vom 16.9.2015 (Az. 28 O 14/14) der Unterlassungsklage teilweise stattgab, wurde die Klage durch das Berufungsgericht OLG Köln mit Urteil vom 13.10.2016 (Az. 15 U 173/15) insgesamt abgewiesen.

Das LG Köln stützte seine Entscheidung darauf, dass zwar keine generellen Prüfpflichten hinsichtlich möglicher rechtswidriger Inhalte seitens des Suchmaschinenbetreibers bestehen, dieser aber als mittelbarer Störer zumindest dann in Anspruch genommen werden kann, wenn er hinreichend von der Rechtsverletzung in Kenntnis gesetzt wurde. Im Ergebnis sah das LG Köln Persönlichkeitsrechtsverletzungen der Kläger „aufgrund der fehlenden tatsächlichen Verantwortlichkeit der Kläger für das Forum, die anprangernde Art und die verwendeten Formalbeleidigungen“, von denen die Beklagte durch Nennung der Links hinreichend in Kenntnis gesetzt wurde.

Das OLG Köln hingegen entschied, dass zwar eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers als mittelbarer Störer grundsätzlich in Betracht kommen kann, eine Sperrung der Links aber nur gefordert ist, wenn die behauptete Rechtsverletzung offensichtlich ist. Damit die Inkenntnissetzung des Suchmaschinenbetreibers dem Kriterium der „offensichtlichen Rechtsverletzung“ gerecht wird, bedürfe es der detaillierten Information des Suchmaschinenbetreibers über die behauptete Rechtsverletzung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Das OLG Köln sah in diesem Zusammenhang die bloße Aufforderung zur Sperrung der Inhalte unter Angabe der Links und der Behauptung, dass eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt, als nicht ausreichend an. Darüber hinaus erkannte das OLG Köln in den behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzungen keine „offensichtliche Rechtsverletzung“.

Entscheidung des BGH

Mit der Revision beim BGH verfolgten die Kläger weiterhin ihr Ziel, die Beklagte auf Unterlassung der Ausgabe von Drittseiten mit persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalten innerhalb der Ergebnislisten zu verpflichten. Die Revision hatte jedoch keinen Erfolg.

Eigenschaft als unmittelbarer Störer?

Der BGH bestätigte die Auffassungen der Vorinstanzen, dass eine Inanspruchnahme als unmittelbarer Störer schon deswegen nicht in Betracht kommt, da die Beklagte weder die Inhalte selbst ins Internet eingestellt hat noch sich die Inhalte zu Eigen gemacht hat, da der Suchindex automatisiert erstellt wird.

Eigenschaft als mittelbarer Störer?

Eine Inanspruchnahme als mittelbarer Störer kann aber dann in Betracht kommen, wenn willentlich und mitursächlich zu der Verletzung des Persönlichkeitsrechts beigetragen wird. Die Inanspruchnahme als mittelbarer Störer setzt allerdings die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere auch Prüfpflichten, voraus.

Besonderheit bei Suchmaschinen

Suchmaschinen sind als Geschäftsmodell von der Rechtsordnung gebilligt und von der Gesellschaft ausdrücklich gewünscht.

Die Besonderheit von Suchmaschinen ergibt sich aus der durch sie zur Verfügung gestellten besonderen Hilfestellung an den Internetnutzer, vorhandene Daten im Internet zu sortieren. Ohne die Nutzung von Suchmaschinen wäre der Internetnutzer nach dem BGH einer „nicht mehr übersehbaren Flut an Daten“ ausgesetzt, sodass das Internet für ihn nicht mehr sinnvoll nutzbar wäre.

Schon in der Entscheidung vom 21.9.2017 „Vorschaubilder III“ (Az. I ZR 11/16) urteilte der BGH, dass Suchmaschinen „im Interesse der Informationsgesellschaft die Funktionsfähigkeit des Internets“ gewährleisten. Schon dort ging der BGH auf die besondere Bedeutung der Suchmaschinen ein und stellte klar, dass vom Anbieter einer Suchmaschine nicht erwartet werden kann, dass er sich über die Rechtmäßigkeit der Einstellung verschiedener Inhalte ins Internet vergewissern muss, bevor er diese in den Ergebnislisten wiedergibt.

Aus der besonderen Bedeutung der Suchmaschinen kann eine spezifische Prüfpflicht von Inhalten nur dann verlangt werden, wenn der Betreiber der Suchmaschine Kenntnis von einer offensichtlichen und klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt. Andernfalls würde dies der besonderen Bedeutung der Suchmaschine nicht gerecht werden und vor allem aber ihre Existenz in Frage stellen. Generelle Kontrollpflichten würden das Betreiben einer Suchmaschine erschweren, wenn nicht sogar verhindern.

In diesem Zusammenhang führte das OLG Köln bereits aus, dass es den Betreibern einer Suchmaschine regelmäßig nicht möglich ist, rechtswidrige Inhalte von verschiedenen Internetseiten zu löschen. Ihnen bliebe lediglich die Möglichkeit, Links mit rechtswidrigen Inhalten zu sperren. Dadurch würden auch Inhalte, die nicht rechtswidrig sind und dem Nutzer weiterhin unproblematisch zugänglich sein sollen, nicht mehr auffindbar sein.

Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht erkennbar

Der BGH urteilte, dass den beanstandeten Äußerungen zwar ein ehrbeeinträchtigender Gehalt zukomme, diese aber nicht außerhalb des in einer Sachauseinandersetzung stehenden Verwendungskontextes getätigt wurden.

Den Klägern gelang es überdies auch in der Revision nicht, ihre Beteiligung an der Erstellung des Internetforums hinreichend klären zu können. Die Kläger gaben an, an dem Aufsetzen des Internetforums beteiligt gewesen zu sein. Auch die E-Mail-Weiterleitung an den Kläger war auch nach dem Aufsetzen des Internetforums weitere Wochen aktiv. Die pauschale Behauptung, mit dem Internetforum nichts zu tun zu haben, überzeugte den BGH nicht und er sah deshalb in den von den Klägern beanstandeten Äußerungen keine für die Beklagte offensichtlich erkennbare Rechtsverletzung.

Fazit

Obwohl noch keine Urteilsgründe vorliegen, verdeutlicht bereits die Pressemitteilung des BGH erneut die besondere Bedeutung von Suchmaschinen im Internet. Ging der BGH in der Entscheidung „Vorschaubilder III“ noch auf einen urheberrechtlichen Kontext ein, so schränkt er generelle Prüfpflichten nun auch in Bezug auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen weiter ein. Die Bedeutung der Suchmaschinen macht es möglich, ihren Betreibern erst weitergehende Kontrollpflichten aufzuerlegen, sofern sie Kenntnis von der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Inhalts erlangen.

 

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