EuG: „Fack JU Göhte“ ist nicht als Unionsmarke eintragungsfähig

Aufatmen im Land der Dichter und Denker

Es gibt ihn noch – den Verstoß gegen die guten Sitten. Dichter und Denker atmen auf! Mit Urteil vom 24.01.2018 (T-69/17) hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) entschieden, dass die Anmeldung einer Unionsmarke „Fack JU Göhte“ gegen die guten Sitten verstößt und das Zeichen daher nicht als Unionsmarke eintragungsfähig ist.

Hintergrund des Urteils

Das EuG hatte über die Zurückweisung der Unionsmarkenanmeldung „Fack JU Göhte“ zu entscheiden, die das Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) auf einen Verstoß gegen die guten Sitten gestützt hatte.

Sachverhalt

Am 21. April 2015 meldete die Klägerin, die Constantin Film Produktion GmbH, das dem geläufigen Filmtitel entsprechende Wortzeichen „Fack JU Göhte“ als Unionsmarke beim EUIPO für vielfältige Waren und Dienstleistungen in insgesamt 13 Klassen zur Eintragung ins Unionsmarkenregister an. Mit Entscheidung vom 25. September 2015 wies der Prüfer des EUIPOs die Prüfung zurück. Die Zurückweisung stützte er darauf, dass die Marke jedenfalls in einem Teil der Union gegen die guten Sitten verstieße [vgl. Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 2017/1001) in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (nun Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001)]. Gegen die Entscheidung des Prüfers legte die Constantin Film Produktion GmbH am 05. November 2015 Beschwerde beim EUIPO ein. Mit Entscheidung vom 01. Dezember 2016 wies die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Gegen diese Entscheidung legte die Constantin Film Produktion GmbH am 03. Februar 2017 Klage beim EuG ein.

Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des EUIPO

Die Fünfte Beschwerdekammer stütze ihre Ansicht zusammengefasst darauf, dass hinsichtlich der maßgeblichen Verkehrskreise auf die Wahrnehmung der deutschsprachigen Verbraucher (darunter auch Kinder und Jugendliche) innerhalb der Europäischen Union abzustellen sei, nämlich insbesondere auf diejenigen in Deutschland und Österreich. Zudem ging sie davon aus, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Aussprache des Wortbestandteils „fack ju“ so wahrnähmen, als sei er identisch mit dem englischen Ausdruck „fuck you“, sodass er dieselbe Bedeutung habe. Jedenfalls stelle der Ausdruck „fuck you“ eine geschmacklose, anstößige und vulgäre Beleidigung dar. Der ergänzende Bestandteil „Göhte“, mit dem ein hochangesehener Schriftsteller wie Johann Wolfgang von Goethe posthum in herabwürdigender und vulgärer Weise verunglimpft werde, könne vom verletzenden und gegen die guten Sitten verstoßenden Charakter der Beschimpfung „Fack Ju/fuck you“ nicht ablenken.

Entscheidung des EuG

Entgegen der Ansicht der Klägerin, dass weder das Anmeldezeichen als Ganzes noch dessen einzelne Elemente vulgär, anstößig oder beleidigend seien, sah das EuG die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 207/2009 (nun Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 207/2017) erfüllt und wies die Klage aufgrund des Vorliegens eines Verstoßes gegen die guten Sitten zurück:

Anforderungen an den Verstoß gegen die guten Sitten

Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 207/2009 (nun Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 2017/1001) sind von der Eintragung ausgeschlossen Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen. Dies gilt in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (nun Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001) auch dann, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen. Das Eintragungshindernis setzt nicht voraus, dass das Zeichen sämtlich gegen die guten Sitten verstößt. Der Maßstab anhand dessen ein Verstoß gegen die guten Sitten beurteilt wird, bildet die jeweilige Verkehrsauffassung.

Schutzzweck

Das EuG führte in diesem Zusammenhang aus, dass dem absoluten Eintragungshindernis des Verstoßes gegen die guten Sitten das Allgemeininteresse zugrunde läge, dass die Eintragung von Zeichen zu verhindern sei, deren Benutzung im Gebiet der Union gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstieße. Die Prüfung wiederum, ob ein Zeichen gegen die […] guten Sitten verstoßen würde, müsse im Hinblick auf die Wahrnehmung dieses Zeichens bei seiner Benutzung als Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise auf dem Gebiet der Europäischen Union oder in Teilen derselben vorgenommen werden.

Maßgebliche Verkehrskreise und ihre Wahrnehmung des Zeichens

Im Rahmen der Bestimmung des maßgeblichen Verkehrskreises, auf dessen Wahrnehmung es bei der Bestimmung des Vorliegens eines „sittenwidrigen Zeichens“ bedeutend ankommt, stellte das EuG auf den „Durchschnittsverbraucher“ ab. Der „Durchschnittsverbraucher“ wird definiert als durchschnittlich informiert, aufmerksam und verständig. Da es sich bei den konkret angemeldeten Waren- und Dienstleistungen um solche des täglichen Verbrauches handelte, entspricht diese Bewertung gängiger Rechtsprechung. Vorliegend sah das EuG den Verkehrskreis aber zudem erweitert dadurch, dass das Zeichen auch bei anderen Personen Anstoß erregen würde, die die konkreten Waren und Dienstleistungen zwar nicht abnehmen, dem Zeichen aber dennoch im Alltag zufällig begegnen würden. Einen weiteren Schwerpunkt der Prüfung legte das EuG auf das Verständnis des deutschsprachigen Verbrauchers in Deutschland und Österreich, da diese in dem Bestandteil „Fack Ju“ sowohl die lautschriftliche Übertragung des englischen Ausdrucks „fuck you“ erkennen als auch hinsichtlich des Zeichenbestandteils „Göhte“ eine Ähnlichkeit zum Nachnamen des bekannten deutschen Dichters und Schriftstellers Johann Wolfgang von Goethe feststellen würden.

Nach der Bestimmung des bestimmten Verkehrskreises wird zur weiteren Prüfung zudem festgelegt, wie dieser Verkehrskreis ein konkretes Zeichen wahrnehmen wird. Hier sah das EuG begründet, dass das Publikum das Zeichen „Fack Ju“ auch inhaltlich mit dem englischsprachigen Begriff „fuck you“ gleichsetzen und eine entsprechende Verbindung zwischen den beiden Zeichenbestandteilen in Form eines „Fuck You Goethe“ herstellen würde. Dies sah das EuG auch unabhängig davon, ob der Verkehr das Zeichen in eine sexuelle Richtung interpretieren würde oder aber auch um Wut, Enttäuschung, Missachtung gegenüber einem anderen auszudrücken. Der Ausdruck insgesamt sei durch eine ihm innewohnende Vulgarität geprägt. Auch eine Bezugnahme und Verlagerung des Schwerpunktes auf den Zeichenbestandteil „Göhte“ ließ das EuG nicht ausreichen, um dem Zeichen die Vulgarität absprechen zu können. Das EuG führte aus, dass zwar der Adressat des Ausdrucks „Fack Ju“ konkret bestimmbar sei – nämlich vorliegend „Göhte“ in Anlehnung eben an „Johann Wolfgang von Goethe“. Dies führe jedoch nicht zu einer abgemilderten Wahrnehmung des Zeichens.

Jugendslang und Witze

Auch die Ansicht der Klägerin, das Zeichen weise im Zusammenhang mit dem Film „Fack JU Göhte“ scherzhaft auf gelegentlichen Schulfrust der Schüler hin, indem eine Wortkombination verwendet werde ,die jugendlichen Slang aufweise und das Zeichen sich daher auch an Jugendliche und insbesondere Schüler richte, für die dies Spaß und Identifikationsfläche bedeute, führte nicht zu einem für die Klägerin positiven Ausgang der Klage. Dass ein Teil der maßgeblichen Verkehrskreise eine äußerst derbe Ausdrucksweise für akzeptabel halten mag, reicht nach Ansicht des EuG nämlich nicht aus, um diese Wahrnehmung als maßgeblich anzusehen. Maßstab zu einer entsprechenden Beurteilung dürfe weder die Wahrnehmung des Teils der maßgeblichen Verkehrskreise sein, der leicht Anstoß nimmt, noch die Wahrnehmung des Teils dieser Kreise, der unempfindlich ist. Zugrunde zu legen seien stets vielmehr die Kriterien einer vernünftigen Person mit durchschnittlicher Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle.

Aus u.a. diesen sehr stark zusammengefassten Erwägungen heraus, sah das EuG daher die Voraussetzungen des absoluten Eintragungshindernisses des Verstoßes gegen die guten Sitten als gegeben an und wies daher die Klage zurück.

Fazit:

Höher, schneller, weiter… Krasser, bunter, extremer… In einer Zeit, in der der Kreativität bei der Gestaltung des Zeichenbestandteils einer Marke außerhalb des Freihaltebedürfnisses oder ggf. fehlender Unterscheidungskraft scheinbar kaum mehr Grenzen gesetzt werden, hat das EuG ein klares Statement dazu abgegeben, „was geht und was nicht“. Was offensichtlich zu weit geht, ist die Verknüpfung negativ oder sexuell belegter Kraftausdrücke mit dem wohl größten Dichter und Schriftsteller Deutschlands als Erschaffer vielfältiger, kultureller Hinterlassenschaften für bedeutende Teile der Europäischen Union. Was dem ein oder anderen eventuell als übereifriges Einschreiten der „Sittenpolizei“ vorkommen“ mag, stellt sich vielmehr als klare Grenzsetzung dahingehend dar, was der „Jugendslang“ und die „Spaßabteilung“ in Sachen „Ich setze das Zeichen – und du, lieber Verbraucher, wirst dich garantiert daran erinnern“ hergeben darf. Und auch wenn man Spaß an guten Slogans und witzigen Marken hat (wie im Übrigen allen voran die Verfasserin dieses Beitrages selbst) ist es vielleicht doch auch hin und wieder beruhigend, dass zur Beurteilung markenrechtlicher Sachverhalte in Bezug auf alltägliche Waren und Dienstleistungen auf die Sicht des (hypothetischen) Durchschnittsverbrauchers abgestellt wird.

Ob die Constantin Film Produktion GmbH nun den Europäischen Gerichtshof anrufen wird bleibt abzuwarten.

Was sich der Dichter, an dessen Namen sich der Bestandteil „Göhte“ hier anlehnt, bei Wahrnehmung und Verständnis einer Marke „Fack JU Göhte“ gedacht hätte, liegt vielleicht auf der Hand, bleibt aber mit Absicht gedacht und unausgeschrieben.

 

Haben Sie Fragen rund um das Markenrecht? Wir beraten Sie gern. Unsere Ansprechpartner finden Sie hier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.