LAG Köln: keine Catch-All-Klausel zur nachvertraglichen Geheimhaltung im Arbeitsvertrag

Arbeitsvertragliche Geheimhaltungsklauseln, die es einem Arbeitnehmer verbieten, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine während der Beschäftigung erlangten Kenntnisse bei einer neuen Beschäftigung zu nutzen, sind unwirksam. Dies hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Köln in einem Urteil vom 02.12.2019 bestätigt (Az: 2 SaGa 20/19). Denn eine in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht uneingeschränkte Verschwiegenheitspflicht führt nach dem LAG Köln zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung des Arbeitnehmers.

Der Hintergrund

Zu dem Streit kam es, als der Beklagte vom Unternehmen der Klägerin zu deren Kundin wechselte. Bei seiner dortigen Tätigkeit im Qualitätsmanagement nutzte der Beklagte auch das Wissen, welches er durch seine vorherige Beschäftigung bei der Klägerin erlangte hatte. Diese sah darin einen Verstoß gegen §17 UWG. Dieser ist mittlerweile außer Kraft getreten und durch das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) ersetzt worden. Die Klägerin beruft sich aber auf die Anwendbarkeit des §17 UWG, da bereits im Jahr 2015 (also vor In Kraft treten des GeschGehG) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch Mails des Beklagten bekannt gemacht worden seien. Der Beklagte hielt dem entgegen, dass durch eine Unterlassungsverfügung, wie sie von der Klägerin gefordert wird, seine neue Tätigkeit für ihn unmöglich würde.

Das Landgericht Aachen hatte zunächst der von der Klägerin beantragten einstweiligen Verfügung stattgegeben. Auf den Widerspruch des Beklagten hin wurde diese dann aber durch das Arbeitsgericht wieder aufgehoben und der dahingehende Antrag abgewiesen. Hiergegen hatte die Klägerin Berufung eingelegt.

Die Entscheidung

Das LAG Köln wies die Berufung als zulässig, aber unbegründet ab und gab dem Arbeitnehmer Recht.

Zunächst stellte es fest, dass zur Bewertung der Rechtslage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist. Somit muss die Beurteilung sich nach dem § 6 GeschGehG und nicht nach § 17 UWG richten. Mögliche Tatbestände aus dem Jahr 2015 sind für den konkreten Rechtsstreit also gar nicht von Bedeutung und müssten einzeln geltend gemacht werden.

Einen Anspruch der Klägerin, von dem Beklagten zu fordern, die Weitergabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu unterlassen, verneinte das Gericht.

Die Gründe

Zunächst merkte das LAG Köln an, dass es sich bei der Geheimhaltungsvereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beklagten um eine sog. ‚Catch-All-Klausel‚ handelt, die es einem Arbeitnehmer auf unbestimmte Zeit untersagt, jegliche Informationen, Angelegenheiten und Vorgänge im Zusammenhang mit der Gesellschaft bekannt zu machen. Solche Klauseln sind aber nach allgemeiner Ansicht unwirksam, da sie die berechtigten Interessen des Arbeitgebers übersteigen und den Arbeitnehmer in unbilliger Weise benachteiligen. Insbesondere, wenn die Verpflichtung weit über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinausgeht.

Auch einer AGB-Prüfung hält eine solche Klausel nicht stand. Dafür fehlt es an einer hinreichenden inhaltlichen Konkretisierung, auf welche Informationen die Verschwiegenheitsverpflichtung sich beziehen soll, sowie an einer zeitlichen Beschränkung. Für angemessen hält der Gesetzgeber einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren, wenn dieser zusätzlich mit einer finanziellen Entschädigung dafür verbunden ist, dass sich der ausgeschiedene Arbeitnehmer in seiner Tätigkeit innerhalb des festgelegten Zeitraums erheblich einschränken muss („Karenzgeld“ oder „Karenzentschädigung“). Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel mittels des sog. ‚Blue-Pencil-Tests‘ (Streichen des unwirksamen Teils zum Erhalt der wirksamen Rest-Klausel) ist nicht möglich.

Schließlich zog das LAG Köln in Zweifel, ob es sich bei den von der Klägerin genannten Dokumente und Daten überhaupt um Geschäftsgeheimnisse handelt. Die Klägerin hatte weder die Exklusivität der von ihr als Geschäfstgeheimnisse geltend gemachten Informationen noch ihre speziellen Geheimhaltungsmaßnahmen in konkreter und für das Gericht hinreichender Weise aufzeigen können.

Die Bedeutung für die Praxis

Ein pauschales arbeitsvertragliches Verbot jeder nachvertraglichen Weitergabe, Kenntlichmachung oder Nutzung von Informationen und Vorgängen führt zur Unwirksamkeit einer solchen Klausel. Fügt der Arbeitgeber im Anstellungsvertrag eine dahingehende Klausel dennoch ein, riskiert er, dass diese für unwirksam erklärt und sämtlicher (nach)vertraglicher Schutz seiner Geschäftsgeheimnisse entfällt. Verschwiegenheitsklauseln zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sollten also stets konkret formuliert sein und dürfen den verpflichteten Arbeitnehmer nicht in unbilliger Weise benachteiligen.

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