Zentrale Normen: §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB; Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK; §§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 2 Nr. 3, 8 Abs.1 UWG; Art. 13 Abs. 1 Datenschutzrichtlinie EK
Die durch ein Unternehmen per E-Mail versendete Bitte um Bewertung des Services fällt unter unzulässige E-Mail-Werbung, auch wenn mit der E-Mail die Übersendung einer Rechnung für ein zuvor gekauftes Produkt erfolgt. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 10. Juli 2018 entschieden (VI ZR 225/17).
Hintergrund
Der Kläger hat die Beklagte, bei der er über die Internet-Plattform „Amazon Marketplace“ Waren bestellt hat, auf Unterlassung der Zusendung von E-Mails, in denen der Dank für den Kauf eines Gegenstandes und die Übersendung der Rechnung mit der Bitte verknüpft wird, den Service des Shops zu bewerten, in Anspruch genommen.
Der Kläger bestellte am 9. Mai 2016 bei der Beklagten ein Ultraschallgerät zur Schädlingsvertreibung, wobei die Abwicklung nicht direkt zwischen den Parteien, sondern über Amazon erfolgte. Am 24. Mai 2016 erhielt der Kläger eine E-Mail von der Beklagten mit dem Betreff „Ihre Rechnung zu Ihrer Amazon Bestellung…“. Der E-Mail war die Rechnung im PDF-Format angehängt. Ansonsten enthielt sie die Bitte um Bewertung des Unternehmens mit fünf Sternen und einen Link über den direkt eine Internetseite zur Bewertung der Beklagten erreicht werden konnte. Der BGH zitiert den Inhalt der Mail wie folgt:
„Sehr geehrte Damen und Herren, anbei erhalten Sie Ihre Rechnung im PDF-Format. Vielen Dank, dass Sie den Artikel bei uns gekauft haben. Wir sind ein junges Unternehmen und deshalb auf gute Bewertungen angewiesen. Deshalb bitten wir Sie darum, wenn Sie mit unserem Service zufrieden waren, uns für Ihren Einkauf eine 5-Sterne Beurteilung zu geben. Sollte es an dem gelieferten Artikel oder unserem Service etwas auszusetzen geben, würden wir Sie herzlich darum bitten, uns zu kontaktieren. Dann können wir uns des Problems annehmen.“
Der Kläger sah in der E-Mail eine unaufgeforderte unerlaubte Zusendung von Werbung, die in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreife und ging deshalb mit einer Unterlassungsklage dagegen vor.
Klageabweisung
Das Amtsgericht Braunschweig hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht Braunschweig als Berufungsgericht zurückgewiesen. Beide Gerichte haben einen Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB verneint.
Die Zusendung einer E-Mail mit der Bitte um Bewertung stelle zwar nach Ansicht des LG Werbung dar, die auch einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers begründe, dieser Eingriff sei jedoch nicht rechtswidrig. Die Eingriffsqualität sei zu gering und die Anfrage stünde im Zusammenhang mit dem vom Kläger getätigten Kauf, sodass ein noch weniger schwerwiegender Eingriff vorliege als im Rahmen des § 7 Abs. 3 UWG.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger sein Klagebegehren weiter verfolgt.
Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand
Nach Auffassung des BGH steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.
Das Berufungsgericht ist nach Ansicht des BGH richtigerweise davon ausgegangen, dass der Kläger keinen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG gegen die Beklagte hat, da er nach der abschließenden Regelung des § 8 Abs. 3 UWG nicht berechtigt ist, Ansprüche auf Unterlassung nach § 8 Abs. 1 UWG geltend zu machen, da er weder Mitbewerber ist und sich die Anspruchsberechtigung auch nicht aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG (Diese Bestimmungen gewährleisten lediglich einen Kollektivschutz der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer, einen Individualschutz von Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern sehen sie hingegen nicht vor).
Der Kläger hat aber gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht.
Die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung ohne Einwilligung des Klägers stellt nach Ansicht des BGH grundsätzlich einen Eingriff in seine geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt im privaten Lebensbereich vor Belästigungen, die von einer unerwünschten Kontaktaufnahme ausgehen und gibt dem Betroffenen das Recht, in diesem Bereich in Ruhe gelassen zu werden.
Die Verwendung elektronischer Post ist dementsprechend nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie EK) nur bei vorheriger Einwilligung der Nutzer zulässig, die hier jedoch nicht vorliegt.
In der Übersendung einer Rechnung selbst ist zwar noch keine Werbung zu sehen, die elektronische Post des Klägers ist von der Beklagten allerdings in zweifacher Hinsicht genutzt worden – nämlich für die nicht zu beanstandende Übersendung der Rechnung und zusätzlich für Zwecke der Werbung. Der BGH stellte fest, dass für die Annahme, die nicht zu beanstandende Rechnungsübersendung nehme der E-Mail insgesamt den Charakter der Werbung kein Raum ist und stützte sich dabei auch auf ein bereits ergangenes Senatsurteil aus dem Jahre 2015 (VI ZR 134/15).
Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ist zudem auch rechtswidrig. Das Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seiner Privatsphäre aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK ist mit dem berechtigten Interesse der Beklagten, mit ihren Kunden zum Zwecke der Werbung in Kontakt zu treten, abzuwägen. Die Abwägung geht hier zu Lasten des Klägers und ist auch unter Berücksichtigung des § 7 Abs. 3 UWG als unzulässig anzusehen.
Zusammenfassung
Die Bitte um Bewertung per E-Mail fällt unter den Begriff der (Direkt-)Werbung und ist ohne vorherige Einwilligung des Empfängers unzulässig. Dies gilt auch, wenn mit der E-Mail die Übersendung einer Rechnung für ein zuvor gekauftes Produkt erfolgt. Dem Verwender einer E-Mail-Adresse zu Werbezwecken nach Abschluss einer Verkaufstransaktion ist es zumutbar – wie es die Vorschrift des § 7 Abs. 3 UWG verlangt -, vor dem Eindringen in die Privatsphäre des Empfängers diesem die Möglichkeit zu geben, der Verwendung seiner E-Mail-Adresse zum Zwecke der Werbung zu widersprechen.
Ansonsten ist der Eingriff grundsätzlich rechtswidrig.
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