Äußerungen in Bewertungsportalen: Aktuelle Rechtsprechung

Ein immer aktuelles Thema in Praxis und Rechtsprechung des Online Reputation Management (ORM) sind die rechtlichen Rahmenbedingungen von Äußerungen in Bewertungsportalen im Internet.

Online-Bewertungsportale, wie z.B. jameda (Ärzte), TripAdvisor (Hotels, Restaurants), Kununu (Arbeitgeber), aber auch Social Media wie Facebook, Twitter und Google+, ermöglichen es Waren und Dienstleistungen zu beurteilen und aus Erfahrungen zu berichten. Egal, ob online oder stationär, Handel oder Dienstleistung, Arzt, Handwerker oder Rechtsanwalt: Plakative Bewertungen durch Sterne oder Punkte, die für jeden leicht verständlich und vergleichbar sind, kann kein Händler oder Dienstleister verhindern.

Problematisch wird es, wenn Bewertungen und Berichte – jedenfalls subjektiv aus Sicht des Betroffenen – übertrieben oder auch tatsächlich falsch sind und sich eignen, Ruf oder Reputation zu schädigen.

Was darf – und was darf nicht – Gegenstand von Bewertungen werden? Und was müssen Bewertungsportale tun, um (auch) die Bewerteten zu schützen? Dazu sind in den vergangenen Monaten einige neue Gerichtsentscheidungen ergangen. Für besondere Aufmerksamkeit sorgte eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs Anfang März 2016 (BGH, Urteil v. 1.3.2016 –  VI ZR 34/15) zum Umfang der Auskunftspflichten eines Ärzte-Bewertungsportals im Rahmen der Überprüfung einer beanstandeten Bewertung, die in der Folge auch systematisch eingeordnet wird.

Grundsätzlich gilt: Eine Bewertung muss man sich gefallen lassen.

Erhält man eine negative Bewertung stellt sich häufig die Frage „Wie kommt es überhaupt dazu? Ich habe mich (mein Unternehmen) doch gar nicht auf dieser Bewertungsplattform angemeldet.“

Das ist auch nicht nötig. Bewertungsportale sammeln die Daten für ihre Profile regelmäßig in öffentlich zugänglichen Quellen oder es sind die Kunden selbst, die bestimmte Unternehmen in solchen Portalen anlegen. Solange die hinterlegten Daten korrekt sind und es sich um öffentlich zugängliche geschäftsbezogene Daten handelt, ist dies rechtlich zulässig (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG, § 29 Abs. 1 Nr. 2 BDSG). Es besteht ein rechtfertigendes Interesse der Allgemeinheit, sich öffentlich zugängliche Daten von Dienstleistern schnell und vollständig zu erschließen – also auch über online zugängliche Register und Portale.

Das gilt für alle Berufsgruppen gleichermaßen und nimmt weder Ärzte noch Rechtsanwälte aus. Für Ärzte ergibt sich dies insbesondere aus der umfangreichen Rechtsprechung zum Ärzteportal jameda (jüngst BGH, Urteil v. 1.3.2016 – VI ZR 34/15). Für Anwälte entschied so kürzlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem Fall, der einen polnischen Anwalt betraf (EGMR, Urteil v. 24.11.2015 – Beschwerde Kucharczyk/Polen 72966/13). Als „unverzichtbarem Element des Justizsystems“ stünde auch die Beurteilung der beruflichen Fähigkeiten eines Anwaltes im Interesse der Öffentlichkeit. Er müsse daher akzeptieren, dass er von jedem, mit dem er beruflich verbunden war, bewertet werden könne, so lange sich diese Bewertung innerhalb gewisser Grenzen bewege.

Grenzen der „Bewertungsfreiheit“

Die Grenzen einer zulässigen Bewertung zieht der EGMR im Ergebnis nicht anders, als dies die deutsche Rechtsprechung tut und sieht sie immer dann erreicht, wenn die Inhalte einer Bewertung beleidigend oder vulgär sind, Drohungen oder herabwürdigende Anschuldigungen enthalten oder den Ruf des Einzelnen über die Grenzen zulässiger Kritik hinaus beschädigen (EGMR, Urteil v. 24.11.2015 – Beschwerde Kucharczyk/Polen 72966/13).

Systematisiert bedeutet das, dass die Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 GG) und des öffentlichen Informationsinteresses jedenfalls dann erreicht sind, wenn falsche Tatsachenbehauptungen verbreitet werden, Äußerungen strafrechtliche Grenzen überschreiten (§§ 185 ff. StGB) oder reine Schmähkritik sind, da sie nur noch dazu dienen, eine Person (oder ein Unternehmen) – ohne Sachbezug – verächtlich zu machen (BVerfG 82, 272, 284).

Ob eine Meinung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, emotional oder rational begründet ist, ist für die rechtliche Zulässigkeit ihrer Äußerung und Verbreitung irrelevant. Werturteile, die zur Meinungsbildung beitragen und andere Personen überzeugen wollen, sind auch dann zulässig, wenn sie in scharfer und abwertender Kritik bestehen, mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden oder in ironischer Weise formuliert sind (anschaulich: OLG Stuttgart, Urteil v. 11.09.2013 – 4 U 88/13).

Sind die Inhalte einer Bewertung nicht schlichtweg tatsächlich falsch, hängt die rechtliche Zulässigkeit der enthaltenen Äußerung also immer von einer Abwägung im Einzelfall ab.

Wer schuldet Was, wenn eine Bewertung unzulässig ist?

Grundsätzlich ist es der Äußernde und Nutzer der Bewertungsfunktion selbst, der mit seiner Äußerung rechtliche Grenzen sprengt. Er ist es also auch, gegen den sich vorrangig Ansprüche richten, welche sich aus rechtsverletzenden Äußerungen ergeben (Unterlassung, Schadenersatz, aber auch strafrechtliche Verantwortlichkeit §§ 185 ff. StGB).

Das Problem ist nur: Die Nutzung der Bewertungsfunktionen erfolgt regelmäßig über anonymisierte Nutzerkonten unter Verwendung von erfundenen Profilnamen. Auf dieser Basis lässt sich nicht herausfinden, wer eine Bewertung eingestellt hat. Was also tun, wenn man nicht durch die Inhalte der Bewertung selbst erkennen kann, wer sie abgegeben hat? Es bleibt nur der Weg über den Anbieter des Bewertungsportals selbst.

Prüfpflichten für Bewertungsportale

Der Gedanke, den Portalbetreiber selbst direkt auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen liegt nahe, wäre jedoch voreilig. Denn hier gilt: Nur, weil eine Äußerung über ein Portal verbreitet wird, ist sie dessen Betreiber noch nicht als „eigene“ Äußerung zuzurechnen. Das ist nur der Fall, wenn er sich diese inhaltlich „zu Eigen“ macht. Hier lässt die Rechtsprechung aber keinen Zweifel: Ein zu Eigen machen geschieht nicht schon dadurch, dass er dem Äußernden eine Plattform bietet, um seine Meinung Kund zu tun (BGH, Urt. v. 19.03.2015 – I ZR 94/13).

Für die von Nutzern seines Portals abgegebenen Bewertungen haftet der Portalbetreiber nur dann, wenn er zumutbare Prüfpflichten verletzt hat. Das ist die sogenannte Störerhaltung, deren Umfang sich nach den Umständen des Einzelfalles richtet (kritisch zur Rechtsprechung des BGH in Sachen Störerhaftung hat sich unser Partner Sascha Kremer wiederholt im CRonline-Blog geäußert – hier klicken). Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der beanstandeten Rechtsverletzung, den Erkenntnismöglichkeiten des Portalbetreibers sowie der Funktion des von ihm angebotenen Dienstes zu. Dabei dürfen dem Portalbetreiber aber keine Prüfpflichten auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren (BGH, Urt. v. 19.03.2015 – I ZR 94/13).

Die Auferlegung einer generellen (Vorab-)Prüfpflicht für alle Drittinhalte und Äußerungen eines Bewertungsportals ist mit diesem Maßstab nicht zu vereinbaren (BGH, Urteil v. 19.03.2015 – I ZR 94/13). Daraus ergibt sich: So lange ein Portalbetreiber keinen Anlass hat, die Rechtmäßigkeit einer in seinem Portal geposteten Bewertung anzuzweifeln, muss er diese auch nicht überprüfen.

Folglich obliegt der erste Schritt grundsätzlich dem bewerteten Händler oder Dienstleister. Er muss den Portalbetreiber auf die Inhalte aufmerksam machen, die seine Rechte verletzen sollen und dem Portalbetreiber jedenfalls grundsätzlich nachvollziehbar machen, woraus sich dies ergibt (BGH, Urteil v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10). Erst dieser Hinweis löst Prüfpflichten des Portalbetreibers aus, die ggf. in einem Unterlassungsanspruch des Bewerteten gegen den Portalbetreiber selbst (als sog. Störer) enden können („notice and take down“).

Umfang der Prüfpflichten

Verpflichtet ist der Portalbetreiber jedenfalls dazu, den Verfasser der Bewertung über die Beanstandung zu informieren und ihn aufzufordern, sich zu dieser zu äußern, z.B. darzulegen, dass eine bewertete Dienstleistung tatsächlich in Anspruch genommen wurde. Ebenso kann der Nutzer durch den Portalbetreiber aufgefordert werden, den Dienstleistungs-, z.B. Behandlungskontakt, möglichst genau zu beschreiben. Unterbleibt jegliche Reaktion, muss die Interessenabwägung im Einzelfall zu dem Ergebnis kommen, dass die Beanstandung als begründet anzusehen ist und die Bewertung dauerhaft entfernt wird. Gleiches muss gelten, wenn keine geeigneten Nachweise für die tatsächlichen Inhalte einer Bewertung beigebracht werden können.

Welche Nachweise dies konkret sind, hängt erneut vom Einzelfall und von dem konkreten Bewertungsgegenstand eines Portals ab. Für Ärzte-Bewertungsportale hat der BGH nun entschieden, dass jedenfalls der bewertete Behandlungskontakt an sich bewiesen werden muss, auf den in der Bewertung Bezug genommen wird (BGH, Urteil v. 1.3.2016 –  VI ZR 34/15).

Das lässt sich auch auf jede andere Form der Bewertung von Dienstleistungen übertragen. Denn wenn die bewertete Leistung überhaupt nicht empfangen wurde, handelt es sich schon bei der Bewertung an sich um die per se falsche Tatsachenbehauptung einer Leistungserbringung, die so nie stattgefunden hat und die unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt oder gerechtfertigt sein kann.

Welche Informationen müssen herausgegeben werden? Rechtsprechungswandel!

Doch wie – wiederum – soll der bewertete Händler oder Dienstleister prüfen, ob die dem Portal übermittelten Belege korrekt sind? Schließlich kann durchaus ein Interesse daran bestehen, die eigene Bewertung auch durch falsche Dokumente zu belegen, um z.B. einer Strafverfolgung wegen übler Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB) zu entgehen.

Noch im Jahr 2014 hat der BGH entschieden, dass der Betreiber eines Internetportals in Ermangelung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage grundsätzlich nicht befugt ist, ohne Einwilligung des Nutzers dessen personenbezogene Daten zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an den Betroffenen zu übermitteln (BGH, Urteil v. 1.7.2014 – VI ZR 345/13).

Im Widerspruch hierzu stand eine Entscheidung des 3. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 09.07.2015 (III ZR 329/14), wonach sogar gegenüber einem unter Strafandrohung der Schweigepflicht unterliegendem Berufsträger (Krankenhaus) ein Auskunftsanspruch über die Identität eines Schädigers besteht (Herausgabe der Adresse eines Mitpatienten, um deliktischen Schadenersatzanspruch durchzusetzen). Vor diesem Hintergrund kommt vielleicht auch die Rechtsprechungswende des 6. Zivilsenats mit dem viel besprochenen Urteil vom 1.3.2016 (VI ZR 34/15) nicht ganz so überraschend, wie es das mediale Echo vermuten lässt.

Denn letztlich vereinheitlicht es die Rechtsprechung der Senate, wenn nun auch der 6. Zivilsenat die Auffassung vertritt, dass (bezogen auf Ärzte-Bewertungsportale) die Prüfpflicht des Portalbetreibers so weit gehen kann, dass Unterlagen wie Bonushefte und Rezepte zum Nachweis des bewerteten Behandlungskontaktes angefordert werden müssen und darüber hinaus die Pflicht besteht, diese Belege eines deliktischen Handelns (Verbreiten unwahrer Tatsachenbehauptungen § 823 BGB) auch an den Bewerteten weiterzuleiten, soweit dies ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG möglich ist.

Die gewonnenen Informationen und Unterlagen wären also – jedenfalls ohne personenbezogene Daten zu übermitteln – an den Bewerteten weiterzureichen (BGH, Urteil v. 1.3.2016 –  VI ZR 34/15), da in diesem Fall wohl nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Grenzen von § 12 Abs. 1 TMG eingehalten sein dürften. Wie dies konkret begründet wird, lässt sich der bis dato lediglich veröffentlichten kurzen Pressemitteilung nicht entnehmen. Insofern bleibt die Urteilsbegründung abzuwarten, zumal noch die Möglichkeit im Raum steht, dass auch ohne unmittelbaren Personenbezug der übermittelten Daten durch den Sachverhalt, der Gegenstand der Berichterstattung war, eine Identifizierung möglich und damit ein Personenbezug mittelbar gegeben ist.

Und auch die in Folge der Zurückverweisung an das OLG Köln zu erwartende Konkretisierung der Anforderungen an den Umfang der Prüfpflichten selbst, nämlich die Überprüfung, ob jameda im konkreten Fall in ausreichendem Umfang Belege bei dem bewertenden Nutzer seines Portals anforderte, ist eine Folge des jüngsten Urteils, die Auswirkungen auf das Beschwerdemanagement aller Bewertungsportale haben dürfte.

Autorin: Jennifer Hort-Boutouil

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