Zentrale Normen: § 7 TMG n.F., § 8 TMG n. F., Art. 8 RL 2001/29/EG, Art. 11 RL 2004/48/EG, 3. TMGÄndG
Der Betreiber eines öffentlichen WLAN-Hotspots kann nicht als Störer zur Unterlassung verurteilt werden, wenn Urheberrechtsverletzungen von Dritten über diesen Zugang begangen werden. Das hat der BGH in seinem Urteil vom 26.07.2018 (Az.: I ZR 64/17) entschieden. In den Medien wird dies als das Ende der Störerhaftung und der Weg zum freien WLAN in Deutschland gefeiert. Aber ist das der Fall?
Der Sachverhalt
Der Fall, über den der BGH zu entscheiden hatte, bezog sich auf die urheberrechtswidrige Nutzung einer Tauschbörse im Internet. Der Beklagte betreibt unter anderem fünf WLAN-Hotspots. Bereits 2011 war er zwei Mal wegen Urheberrechtsverletzungen, die über einen seiner Internetanschlüsse begangen wurden, anwaltlich abgemahnt worden. Im Januar 2013 war wieder einer seiner Zugänge genutzt worden, um ein urheberrechtlich geschütztes Computerspiel zum Download anzubieten. Daraufhin erfolgte die Abmahnung und die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung von Seiten des Urhebrrechtsinhabers. Als der Beklagte sich jedoch weigerte, die dadurch angefallenen Anwaltskosten zu bezahlen, da er die Urhebrrechtsverletzung schließlich nicht selbst begangen habe, wurde Klage erhoben. Im Januar 2016 hatte der Kläger vor dem Landgericht Düsseldorf Erfolg – die Konstruktion der Störerhaftung sei einschlägig. Nachdem der Beklagte in Berufung gegangen war, entschied im März 2017 dann auch das Oberlandesgericht Düsseldorf zu Gunsten des Klägers.
Hintergrund
Begriff der Störerhaftung
Wenn es im öffentlich zugänglichen Internet zu Urheberrechtsverletzungen kommt, ist es beinah unmöglich, den tatsächlichen Schädiger festzustellen. Durch das Bestimmen der IP-Adresse besteht aber die Möglichkeit, den Inhaber des Anschlusses, von dem die Urheberrechtsverletzung begangen wurde zu ermitteln. In solchen Fällen haftete der Anschlussinhaber als Störer, weil er sein Netzwerk nicht ausreichend gegen Missbrauch geschützt habe.
Die Gesetzesänderung
Am 13.10.2017 trat dann das dritte Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes (3. TMGÄndG) in Kraft. § 8 Abs. 1 S. 2 TMG n.F. versagt nun einen Unterlassungsanspruch gegen einen solchen Anschlussinhaber. Auch der Anspruch auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten entfällt.
Vom WLAN-Betreiber kann nun aber die Sperrung einzelner Inhalte verlangt werden, soweit urheberrechtliche oder vergleichbare Schutzvorschriften betroffen sind. Diese technischen Sperrmaßnahmen müssen sowohl verhältnismäßig als auch zumutbar sein und es darf keine andere Möglichkeit geben, die Rechtsverletzung zu unterbinden. Geregelt ist dies in § 7 Abs. 4 TMG n.F.
Hierin liegt auch die größte Änderung, die der Gesetzgeber vorgenommen hat: Hat das TMG bisher haftungsbeschränkend gewirkt, begründet der § 7 Abs. 4 TMG n.F. eine neue Haftung und führt zu einer Kodifizierung der früheren Störerhaftung, nun Sperrhaftung.
Das Urteil
Der BGH hat entschieden, dass der Kläger zwar einen Zahlungsanspruch bezüglich der Abmahnkosten gegen den Beklagten hat, da dieser es zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung pflichtwidrig unterlassen hatte, sein Netzwerk adäquat gegen den Missbrauch anderer Nutzer zu sichern.
Ein Unterlassungsanspruch besteht nach dem BGH allerdings nicht. Da dieser für die Zukunft wirkt, muss er immer unter Berücksichtigung der aktuellsten Rechtslage beurteilt werden. Durch die Neufassung des § 8 Abs. 1 S. 2 TMG n.F. besteht im Zeitpunkt der Revision des BGH kein Anspruch mehr auf Schadensersatz, Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung.
Der BGH sah bei § 8 Abs. 1 S. 2 TMG n.F. auch keine durchgreifenden europarechtlichen Bedenken. Gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 11 S. 3 der Richtlinie 2004/48/EG sind die Mitgliedsstaaten zwar verpflichtet, eine gerichtliche Anordnungsmöglichkeit zu Gunsten des Rechtsinhabers gegen einen Dienstanbieter zu stellen, dessen Dienste zur Urheberrechtsverletzung genutzt werden. Der BGH sieht dies aber bereit in einem in § 7 Abs. 4 TMG n.F. geregelten Sperranspruch gegeben. Durch eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung dieses Paragraphen dahingehend, dass der Anspruch aus § 7 Abs. 4 TMG n.F. nicht nur bei WLAN-Betreibern, sondern bei allen drahtgebundenen Internetzugriffen greift, sieht der BGH einen umfänglichen Rechtsschutz von Urheberrrechtsinhabern gegeben.
Dabei legt der BGH den Begriff der ‚Sperrung‘ aber weit aus – entgegen des (unverbindlichen) Begründungstextes des Gesetzgebers zur Frage, was als zumutbare Sperrung anzusehen sei. Der Gesetzgeber sah die Nutzungssperrung von bestimmten Routern oder Ports vor, die ein Aufrufen einzelner Websites unmöglich machen und so Urheberrechtsverletzungen direkt am Router sperren.
Für den BGH gibt es keine Begrenzung der Maßnahmen, auf die beim Sperrungsanspruch zurückgegriffen werden kann. So sind auch die Verpflichtung zur Nutzerregistrierung, eine Passwortverschlüsselung des Zugangs oder sogar die vollständige Zugangssperrung im Einzelfall noch zumutbar.
Zur Entscheidung, ob der § 7 Abs. 4 TMG n.F. im vorliegenden Fall tatsächlich einschlägig ist, hat der BGH den Fall nun zurück an die Vorinstanz (OLG Düsseldorf) verwiesen.
Fazit
Insgesamt kann also nicht von der Abschaffung der Störerhaftung gesprochen werden. Vielmehr wurde sie in eine Sperrhaftung gewandelt und gesetzlich kodifiziert.
Weiterhin führt das Urteil zu neuen, weiten Rechtsunsicherheiten. Wann wer welche Sperrmaßnahmen vornehmen muss bleibt nämlich offen. Weitreichende Sperrungen und Passwort-Schutz, wie ihn der BGH empfiehlt, geht dabei jedenfalls gegen die europäische Zielsetzung einer weitläufigen öffentlich zugänglichen WLAN Vernetzung.
Über das Urteil des OLG Düsseldorf werden wir Sie natürlich hier informieren.
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