Anfang März diesen Jahres hatte das Bundeskartellamt (BKartA) bekannt gegeben, ein förmliches Verfahren gegenüber Facebook wegen des „Verdachts auf Marktmachtmissbrauch durch Datenschutzverstöße“ eingeleitet zu haben. Diese Nachricht schlug ein wie der Blitz und wurde breit diskutiert. Insbesondere für die Anwendung des Kartellrechts auf Plattform-Sachverhalte werden sich hier wahrscheinlich einige neue Erkenntnisse ergeben. Erste Einschätzungen habe ich kurz danach im Blog kommentiert.
Mittlerweile ist ein weiterer Aufsatz von mir in der Zeitschrift „Wettbewerb in Recht und Praxis“ erschienen, in dem ich die ersten aufgeworfenen kartellrechtlichen Fragen und Besonderheiten diskutiere (WRP 2016, 814 ff.). Sie finden den vollständigen Aufsatz hier als PDF. Einige Thesen aus dem Aufsatz in aller Kürze:
- Auch unentgeltliche Leistungen wie das kostenlose Facebook-Konto schließen eine Marktbeziehung nicht aus. Zwar bezahlen die Nutzer nicht – wie teilweise argumentiert – mit ihren Daten. Bei Plattformen mit mehrseitigen Marktbeziehungen kann der Betreiber aber eine Monetarisierung seines Geschäftsmodells auf eine Seite verlagern, z.B. auf Werbe-Unternehmen. Dies schließt das für das Bestehen eines sachlich relevanten Marktes vorausgesetzte Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage nicht aus.
- Die Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung dürfte sich nicht ohne Weiteres an der Vermutung des § 18 Abs. 4 GWB orientieren, sondern wird konkret von der Behörde festzustellen sein. Ob alleine die große Masse an Nutzerzahlen ausreichen kann, bezweifele ich.
- Datenmacht allein macht noch keine Marktmacht. Stattdessen kommt es auf eine konkret durch die Behörde festzustellende Eignung zur Beschränkung des Wettbewerbs an.
- Die Verletzung nicht-kartellrechtlicher Vorschriften (hier Datenschutzrecht) ist keine Voraussetzung für das Vorliegen eines Konditionenmissbrauchs.
- Datenschutzbelange können im Rahmen einer umfassenden wettbewerblichen Interessenabwägung berücksichtigt werden. Wird der Marktgegenseite kein wettbewerblich gerechtfertigter Gegenwert geliefert, so kann die exzessive Datenerhebung eine Ausplünderung von Nutzerdaten darstellen.
- Da der Wortlaut „Missbrauch“ eine umfassende wettbewerbliche Interessenabwägung voraussetzt, können und müssen ebenso wettbewerblich positiv wirkende Umstände wie zum Beispiel Effizienzvorteile und Vorteile für die Verbraucherwohlfahrt berücksichtigt werden.
Autor: Sebastian Telle