Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz hat die Orientierungshilfe (OH) IuK-Nutung am Arbeitsplatz (PDF) online gestellt, sperriger ausführlicher Titel: „Orientierungshilfe zur datenschutzgerechten Ausgestaltung und Kontrolle der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik des Unternehmens durch Beschäftigte zu betrieblichen und zu privaten Zwecken“.
Aufsichtsbehörden: Arbeitgeber ist Diensteanbieter
Gebetsmühlenartig wird dort die übereinstimmende Auffassung aller Aufsichtsbehörden im Datenschutz vertreten, wonach der Arbeitgeber bei der erlaubten (oder geduldeten) privaten Nutzung betrieblicher IT oder Telekommunikation Diensteanbieter i.S.d. § 3 Nr. 6 TKG sein soll. Folge ist einerseits die (einfachgesetzliche) Verpflichtung auf das Fernmeldegeheimnis durch § 88 TKG, andererseits die vorrangige Anwendung der datenschutzrechtlichen Spezialvorschriften in den §§ 91 ff. TKG.
Die Begründung fällt sehr knapp aus:
Dies ist jedoch dann anders zu beurteilen, wenn der Beschäftigte die Telekommunikationsdienste nicht (nur) für den Arbeitgeber nutzen darf, sondern dieser deren Nutzung auch für eigene Zwecke des Arbeitnehmers freigegeben hat. Dann erbringt der Arbeitgeber nach § 3 Nr. 10 TKG geschäftsmäßig – nicht notwendig entgeltlich – Telekommunikationsdienste, indem er das nachhaltige Angebot von Telekommunikation für Dritte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht macht. […]
Der nach wie vor weitgehend herrschende Konsens, dass Arbeitgeber, welche die private Nutzung der betrieblichen IuK erlauben, als Diensteanbieter an das Fernmeldegeheimnis gebunden sind, ist auch von der Gesetzeshistorie getragen und wird durch abweichende Ansichten einzelner Gerichte und Stimmen in der Literatur letztlich nicht in Frage gestellt. Überzeugende Gegenargumente werden nicht vorgetragen. […]
Der Gegenansicht fehle es an „überzeugenden Gegenargumenten“, weshalb man gleich jegliche Auseinandersetzung damit unterlässt.
Gerichte: Aufsichtsbehörden sind keine Diensteanbieter
Es geht nicht um „abweichende Ansichten einzelner Gerichte“:
Alle zuletzt mit der Frage befassten Gerichte haben entschieden, dass der Arbeitgeber selbs bei erlaubter oder geduldeter privater Nutzung nicht zum Diensteanbieter wird:
- VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 30.7.2014 – 1 S 1352/13
- LAG Hamm, Urt. v. 10.7.2012 – 14 Sa 1711/10
- LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 16.2.2011 – 4 Sa 2132/10
- LAG Niedersachsen, Urteil v. 31.5.2010 – 12 Sa 875/09
Dabei haben die Gerichte (ebenso wie die „Stimmen in der Literatur“) sehr gute Gründe vorgebracht, warum das TKG nicht greift.
Arbeitnehmer: keine Teilnehmer und Nutzer
So finden die §§ 91 ff. TKG nach § 91 Abs. 1 TKG nur auf „Teilnehmer und Nutzer“ von Telekommunikation bei geschäftsmäßigen Anbietern Anwendung. Teilnehmer oder Nutzer liegen nach § 3 Nr. 14, 20 TKG nur dann vor, wenn sie öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste in Anspruch nehmen. Öffentlich zugänglich ist nach § 3 Nr. 17a TKG ein Dienst aber nur, wenn er der Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Arbeitnehmer sind aber keine Öffentlichkeit, sondern eine „beschränkte Benutzergruppe“, sodass jedenfalls die Anwendbarkeit der §§ 91 ff. TKG schon an der fehlenden Eigenschaft von Arbeitnehmern als Teilnehmern oder Nutzern scheitert.
Dieses Ergebnis mag nicht der Gesetzeshistorie entsprechen, ergibt sich aber nun einmal so im Wortlaut, der die Grenze der Auslegung bestimmt.
Arbeitgeber: Kein geschäftsmäßiges Erbringen von Telekommunikation
Zuzugeben ist, dass die Argumentation beim § 88 TKG schwerer fällt, da man unter den den Begriff des Diensteanbieters sehr wohl den Arbeitgeber subsumieren kann. Allerdings fällt es schwer, beim Arbeitgeber die Geschäftsmäßigkeit zu bejahen (vgl. § 3 Nr. 6 lit. a), Nr. 10 TKG), insbesondere wenn die private Nutzung unter einen jederzeitigen Widerrufsvorbehalt gestellt wird und unentgeltlich erfolgt. Wer es ausführlicher mag dem sei das Urteil des VGH Baden-Württemberg empfohlen (siehe oben), was eine gewichtige Gegenstimme zu der begründungslosen Ansicht der Aufsichtsbehörden ist.
Was tun: Einwilligung und Richtlinie!
Bei der geduldeten privaten Nutzung von IT oder Telekommunikation kommt es auf das TKG meist nicht an.
Neben dem TKG – Anwendbarkeit mit den Aufsichtsbehörden unterstellt – finden bei erlaubter oder geduldeter Privatnutzung regelmäßig wegen § 11 Abs. 1 Nr. 1 TMG (Umkehrschluss) die datenschutzrechtlichen Spezialvorschriften der §§ 12 ff. TMG Anwendung. Auch diese verbieten dem Arbeitgeber in nahezu allen Fällen den Zugriff z.B. auf das E-Mail-Postfach des Arbeitnehmers wegen der darin möglicherweise befindlichen privaten Kommunikation.
Einzige Lösung ist hier, worauf auch die Orientierungshilfe hinweist, die Einwilligung der Arbeitnehmer als Voraussetzung für die Erlaubnis der privaten Nutzung. Das Problem der Freiwilligkeit der Einwilligung im Beschäftigungsverhältnis stellt sich dabei nicht, gewährt der Arbeitgeber mit der privaten ITK-Nutzung doch etwas, was über das Beschäftigungsverhältnis hinausgeht.
Kombiniert der Arbeitgeber die Einwilligung dann noch mit einer Richtlinie zur privaten Nutzung der betrieblichen IT und Telekommunikation, in der Fragen der Aufbewahrung privater Kommunikation (eigene Ordner, Verfahren beim Ausscheiden des Mitarbeiters, Schutz der Daten des Kommunikationspartners) geregelt sind, wird ein Zustand erreicht, der vielleicht nicht 100% dem Idealbild der Aufsichtsbehörden entspricht, dem aber so nahe kommt, dass sich Aufsichtsbehörden und Auditoren lieber an anderen Themen abarbeiten als einer sauberen Lösung für die private ITK-Nutzung.
Alternative: Verbot privater Nutzung?
Gängige Praxis ist es immer noch, dem Arbeitgeber ein vollständiges Verbot der privaten Nutzung betrieblicher IT und Telekommunikation zu empfehlen.
Das ist jedoch ein Trugschluss:
Arbeitnehmer ignorieren derartige Verbote: bewusst, unbewusst oder im Interesse der Arbeitgeber, wenn betriebliches und privates Handeln ineinander übergehen. Das beginnt schon beim Notieren privater Termine im betrieblichen Kalender, um anderen Kollegen die Abwesenheit anzuzeigen und die betriebliche Terminplanung zu vereinfachen.
Das Verbot wirkt aber nur, solange es durchgesetzt wird: Erfährt der Arbeitgeber von Verstößen (oder unterlässt er gar die stichprobenartige Kontrolle des Verbots unter Compliance-Gesichtspunkten), müsste er hierauf mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen reagieren, sprich ermahnen, abmahnen, kündigen. Das geschieht nur in seltenen Ausnahmefällen. Wird ein Verbot nicht durchgesetzt, führt es faktisch zu einer Duldung: Der Arbeitgeber weiß, dass sei Verbot ignoriert wird, lässt die Arbeitnehmer jedoch gewähren.
Mit der Duldung landet der Arbeitgeber dann wieder im Anwendungsbereich des TMG und – nach Auffassung der Aufsichtsbehörden – des TKG.
Ein Verbot allein nützt deshalb nichts.
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