In den vergangenen Jahren beraten wir zunehmend zu EVB-IT Verträgen außerhalb des Vergaberechts, dies auf Seiten von Anbietern und Anwendern.
Bei den EVB-IT (Ergänzende Vertragsbedingungen für die Beschaffung von Informationstechnik) handelt es sich um standardisierte, von öffentlicher Hand und Anbieterseite ausgehandelte Vertragswerke, die zunehmend auch in der freien Wirtschaft eingesetzt werden.
Dabei stellt sich zunächst die Frage nach der Zulässigkeit von Änderungen im Standard durch Ergänzungen der EVB-IT mittels AGB, wozu sich der Kollege Sander und ich im IT-Rechtsberater (ITRB) in Ausgabe 1/2015 auf den Seiten 24 ff. im Aufsatz „Individuelle Änderungen von EVB-IT Verträgen und Ergänzungen mittels AGB – Grenzen der Vertragsfreiheit der Vergabestelle“ geäußert haben.
Unser Fazit bei der Verwendung ergänzter EVB-IT durch Private:
„Für Private, die im Rahmen der Erstellung von Verträgen auf die EVB-IT zurückgreifen, besteht hingegen eine gänzlich uneingeschränkte Vertragsfreiheit. In solchen Kontexten können die EVB-IT gänzlich modifiziert werden, ob durch die Einbeziehung weiterer AGB oder Individualvereinbarung. In diesen Fällen unterliegt das Vertragswerk, bestehend aus (angepasstem) EVB-IT Mustervertrag, (angepassten) AGB zum Mustervertrag sowie eigenen (den Mustervertrag und/oder die zugehörigen AGB modifizierenden) AGB vollständig der Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Mit den Änderungen durch den Verwender […] entfällt zugleich die Voraussetzung für eine ansonsten grundsätzlich denkbare Privilegierung der EVB-IT als ausgehandeltem Standardregelwerk.“
Sodann ist in der Computer und Recht (CR) in Heft 3, 2015 auf den Seiten 146 ff. der ebenfalls vom Kollegen Sander und mir veröffentlichte Aufsatz „Der EVB-IT Systemvertrag – doch kein einheitlicher Werkvertrag?“ erschienen.
Vor dem Hintergrund eines Rechtsstreits, an dem wir beteiligt sind, haben wir die Rechtsprechung des BGH zur Rechtsnatur zusammengesetzter Verträge sowie zur Rechtsnatur von Softwareerstellungsverträgen aufgearbeitet. Dabei habe ich auch die von mir bislang vehement vertretene Auffassung, wonach die Entwicklung von Individualsoftware regelmäßig ein Werkvertrag sei, aufgegeben und mich der Auffassung angeschlossen, wonach es sich regelmäßig um einen Werklieferungsvertrag handelt. Nicht, weil es für diesen Rechtsstreit opportun war, sondern weil ich ein anderes Ergebnis für den „Normalfall“ einer Softwareentwicklung nach den in den vergangenen Jahren gewonnenen Erfahrungen für nicht (mehr) richtig halte.
Rechtsprechung des BGH zur Rechtsnatur des aktuellen EVB-IT Systemvertrags gibt es nicht.
Wir kommen zu folgendem Ergebnis:
„Abweichend von der Rechtsauffassung der Beauftragten der Bundesregierung für die Informationstechnik und der sich darauf berufenden Literaturmeinungen erweist sich der aktuelle Systemvertrag weder als einheitlicher Vertrag, noch unterliegt er dem Werkvertragsrecht. […] Einer dieser mindestens zwei Verträge ist derjenige „zur Erstellung des Gesamtsystems“. Die dazu gehörigen Absprachen formen einen einheitlichen Vertrag, der jedoch – entgegen der Rechtsauffassung der Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik – nicht nach Werkvertragsrecht zu beurteilen ist. Es handelt sich um einen typengemischten Vertrag, der zwar mit den Leistungen der Nr. 4.7 des Systemvertrags auch Leistungen mit werkvertraglichem Charakter beinhaltet. Indessen ist aufgrund gesetzgeberischer Wertentscheidung das Kaufrecht, welches für den Leistungsaustausch gilt, mit dem die vorgenannten Leistungen i.d.R. zusammentreffen (Nr. 4.1, Nr. 4.3.1 und Nr. 4.5 des Systemvertrags), allein maßgeblich.“
Auf die sicherlich nicht lange auf sich warten lassenden Gegenreden und die sich hieran hoffentlich anschließende Diskussion freuen wir uns.