OLG Karlsruhe: „Hassrede“ berechtigt Facebook zur Kommentarlöschung und Sperrung des Absenders

Facebook darf Kommentare, die sich als „Hassrede“ qualifizieren lassen, löschen und ihre Absender zeitweise von der Nutzung der Social-Media-Plattform ausschließen. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Beschluss vom 25.6.2018 (Az. 15 W 86/18) entschieden. Zur Pressemitteilung des OLG Karlsruhe hier.

Hintergrund der Entscheidung

Der Antragsteller im einstweiligen Verfügungsverfahren hatte auf Facebook über mehrere Jahre in zahlreichen Fällen Postings von Medien und Politikern mit dem Satz „Flüchtlinge: So lange internieren, bis sie freiwillig das Land verlassen!“ kommentiert. Facebook stufte diese Kommentare als „Hassrede“ und damit als Verstoß gegen Ziff. 12 ihrer Gemeinschaftsstandards ein. Aufgrund dessen löschte Facebook den Kommentar und schloss den Antragsteller für 30 Tage von der Nutzung der Social-Media-Plattform aus.

Der Antragsteller sah sich in seiner Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) verletzt und beantragte die Untersagung der Löschung seines Kommentars und ebenfalls die Untersagung seiner Aussperrung von der Social-Media-Plattform. Nachdem das Landgericht Karlsruhe den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückwies und seitens des Antragstellers Beschwerde eingelegt wurde, musste sich das OLG Karlsruhe mit diesem Sachverhalt befassen.

Was ergibt sich aus Ziff. 12 des Gemeinschaftsstandards?

Unter anderem heißt es in Ziff. 12 des Gemeinschaftsstandards von Facebook:

„Wir lassen Hassrede auf Facebook grundsätzlich nicht zu. Hassrede schafft ein Umfeld der Einschüchterung, schließt Menschen aus und kann in gewissen Fällen Gewalt in der realen Welt fördern.

Wir definieren Hassrede als direkten Angriff auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften: ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Geschlecht, Geschlechtsidentität, Behinderung oder Krankheit. Auch Einwanderungsstatus ist in gewissem Umfang eine geschützte Eigenschaft.“

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe

Das OLG Karlsruhe entschied, dass der Kommentar des Antragstellers über bloße Kritik hinausgehe und gerade dazu auffordere, Flüchtlinge zu isolieren. Dies sei schon als Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards zu werten.

Auch dem Grundgesetz entnahm das OLG Karlsruhe keine andere Beurteilung. Zwar hat Jedermann das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG. Grundrechte gelten jedoch als sog. Abwehrrechte nur im Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Zwischen Privatpersonen, in diesem Fall dem Antragsteller und Facebook, können die Grundrechte allerdings nur mittelbar Geltung entfalten. Die ausreichende Umsetzung dieser mittelbaren Wirkung der Grundrechte in den Gemeinschaftsstandards sah das OLG Karlsruhe als gewahrt an.

Die Entscheidung kann nicht angefochten werden.

Prüfung rechtswidriger Inhalte durch Betreiber sozialer Netzwerke

Der Bekämpfung von Hasskommentaren soll auch das seit dem 1.1.2018 wirksame Netzwerkdurchsetzungsgesetz dienen (wir berichteten).

§ 1 Abs. 1 NetzDG bestimmt die Anwendbarkeit des Gesetzes auf soziale Netzwerke. Dies sind alle

„Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen“. 

Eine Ausnahme der Einhaltung der Bestimmungen des NetzDG ergibt sich lediglich für Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, oder Plattformen, die zur Individualkommunikation oder zur Verbreitung spezifischer Inhalte bestimmt sind (§ 1 Abs. 1 S. 2, 3 NetzDG). Vom Anwendungsbereich ebenfalls ausgenommen sind soziale Netzwerke mit weniger als zwei Millionen Nutzern im Inland (§ 1 Abs. 2 NetzDG).

Umfassende Regelungen zu dem Umgang mit Beschwerden regelt § 3 NetzDG.
Hervorzuheben sind insbesondere:

  • Prüfpflicht des Netzwerkbetreibers im Nachgang einer Beschwerde auf die Rechtswidrigkeit des Inhalts (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 NetzDG);
  • Entfernung von offensichtlich rechtswidrigen Inhalten oder Sperrung des Zugangs innerhalb von 24 Stunden (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 NetzDG);
  • unverzügliche, in der Regel innerhalb von 7 Tagen nach Eingang der Beschwerde, Entfernung rechtswidriger Inhalte oder Sperrung (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 NetzDG).

Facebook unterfällt als soziales Netzwerk dem Anwendungsbereich des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. In Bezug auf rechtswidrige Inhalte muss daher ein wirksames und transparentes Verfahren implementiert werden, das die Anforderungen des § 3 Abs. 2 NetzDG ausreichend umsetzt. Andernfalls können den Anbietern sozialer Netzwerke Geldbußen auferlegt werden (§ 4 NetzDG).

 

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